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cap-Experte prognostiziert EV-Umsatzschub in Deutschland

Published 07 February, 19

Max Robert Mueller, Manager Future Car Values in Deutschland, untersucht die aktuelle Situation von Elektrofahrzeugen in Deutschland.

MAX ROBERT MUELLER| FUTURE CAR VALUES MANAGER

Ein wichtiges Thema für die Autoindustrie ist, ob der deutsche Gebrauchtwagenmarkt und die Infrastruktur geeignet sind, die Nachfrage nach gebrauchten Elektrofahrzeugen in Deutschland zu stimulieren.

Seit einigen Jahren wird behauptet, dass Elektrofahrzeuge (EVs) aus drei Gründen nicht in höheren Stückzahlen verkauft werden: zu geringe Reichweite, unzureichendes Ladenetzwerk und ein hoher Listenpreis im Vergleich zu herkömmlichen Verbrennungsmotoren (ICE).

Seit 2015 ist die Anzahl der neu zugelassenen EVs deutlich gestiegen – mit einem aktuell sehr geringen einstelligen Marktanteil, aber jährlich zweistelligen Wachstumsraten. Bis Ende 2018 wurde nur etwa ein Viertel der verfügbaren Mittel des „Umweltbonus“ für den Kauf eines reinen EV-, Plug-in-Hybrid- oder Brennstoffzellenautos abgerufen.

Ein hoher Anteil der neu zugelassenen Autos kommt nach ein bis drei Jahren wieder auf den Gebrauchtwagenmarkt. Die Mehrzahl der seit 2015 zugelassenen Elektrofahrzeuge repräsentiert die wichtigsten Segmente in Deutschland, und zwar das Kompaktwagen-, Kleinwagen- und Mittelklasse-Segment (wie Renault Zoe, Nissan Leaf, Hyundai Ioniq & Kona oder Mitsubishi Outlander). Darüber hinaus stammen viele Autos von deutschen Herstellern wie dem Audi A3 e-tron, dem BMW i3 und dem 2er Active Tourer, dem Smart ForTwo, dem Volkswagen e-UP, dem e-Golf & Golf GTE oder dem Passat GTE und dem Opel Ampera-e.

Alle diese Fahrzeuge weisen ein Design und eine Qualitätsanmutung auf, die mit herkömmlichen ICE-Fahrzeugen vergleichbar ist. Der höhere Neuwagenpreis wirkt sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt weniger stark als auf dem Neuwagenmarkt aus und wird daher für einen größeren Kundenkreis erschwinglicher und reduziert die Eintrittsbarriere.

Die Infrastruktur öffentlicher Ladesäulen in Deutschland ist dichter als in anderen europäischen Ländern. Verstärkt durch negative Berichterstattung in den Medien halten potentielle Kunden diese jedoch häufig für nicht angemessen. Weiterhin gibt es Nachteile, die das Laden an jeder vorhandenen Ladesäule oder Ladepunkt aufgrund unterschiedlicher Providertarife, Stecker oder Ladetypen erschweren oder nahezu unmöglich machen.

Derzeit ist es am besten, ein Elektrofahrzeug zu Hause aufzuladen, zur Arbeit zu fahren und es dort wieder aufzuladen. Es wird sozusagen von Ladevorgang zu Ladevorgang gependelt. Für Kunden mit einem Arbeitsweg von jeweils rund 40 km von zu Hause bis zur Arbeit sind die aktuellen Reichweiten von ein bis drei Jahre alten Elektrofahrzeugen jedoch vollkommen ausreichend, einschließlich einer ausreichenden Pufferreichweite für längere Strecken. Bei Plug-In-Hybridfahrzeugen ist die Reichweite natürlich weit größer.

Zu den wichtigen Faktoren für einen erfolgreichen Verkauf von gebrauchten Elektrofahrzeugen zählen: Käufer müssen erleben wie es ist, ein Elektrofahrzeug zu fahren; Verkäufer müssen für den Verkauf der Fahrzeuge speziell geschult werden und Kunden alle Informationen über das mögliche Nutzungsprofil und die Kosten insbesondere für Zubehör, die für einen ICEFfahrer nicht von Bedeutung waren (bspw. Preis eines Ersatz-Ladekabels), vermitteln. Zusätzlich wäre es hilfreich, wenn Händler auch Gebraucht-EV-Kunden anböten, für längere Urlaubsreisen kostenlos oder vergünstigt ein herkömmliches ICE-Autos zu erhalten.

Die Installation einer Wallbox zu einem reduzierten Preis oder die Wiederverwendung vorhandener Boxen würde den Gebraucht-EV-Kauf attraktiver machen. Eine weitere Option wäre ein Abonnementmodell für eine Wallbox oder das Inkludieren in den Batteriemietpreis. Zu überlegen wäre auch, ob nicht abgerufenes Geld aus dem Umweltbonus-System für das Subventionieren von Wallboxen für Neu- und Gebraucht-EV-Kunden verwendet werden kann.

Die Entscheidung für ein Gebraucht-EV und das damit verbundene Risiko für den Kunden kann positiv beeinflusst werden, indem beim Kauf eines gebrauchten Elektrofahrzeugs eine Rücktauschoption (z.B. bis zu einem halben Jahr nach Erwerb) für ein herkömmliches ICE-Gebrauchtfahrzeug inkludiert wird. Eine attraktive Leasing-/ Finanzierungsoption von sechs bis zwölf Monaten könnte auch dazu beitragen, Gebrauchtwagenkäufer davon zu überzeugen, zu einem gebrauchten Elektro- statt zu einem gebrauchten Verbrennerfahrzeug zu greifen.

Elektrofahrzeuge in Carsharing-Flotten von Drive Now oder car2go haben die Sichtbarkeit von Elektrofahrzeugen auf den Straßen bereits verbessert und ermöglichen somit mehr Menschen, ein EV in Wirklichkeit zu erleben und zu erfahren.

Für das Problem der fehlenden Ladepunkte gibt es verschiedene Initiativen und Projekte, die dieses schnell verringern könnten. Volkswagen plant beispielsweise tragbare Ladesäulen zu verwenden, die mit Second Life Use EV-Batterien ausgestattet sind.

Die Telecom AG untersucht, wie sie ihre Verteilerkästen als Ladestation nutzen können. Von ihren rund 380.000 Verteilerkästen wurden bereits ca. 12.000 identifiziert, die sich zum Aufladen von Elektrofahrzeugen in Deutschland eignen würden. Alternativ wäre auch die Verwendung elektrischer Straßenlaternen möglich, was bereits in Berlin und London stattfindet.

Der Großteil der derzeit diskutierten Möglichkeiten haben kein solides Geschäftsmodell, da die derzeitige Anzahl von Elektrofahrzeugen auf den Straßen sehr gering ist. Sie wären nur dann wirtschaftlich tragfähig, wenn allen EV-Kunden die Möglichkeit gegeben wird ihr Fahrzeug aufzuladen und das Angebot nicht nur für bestimmte Marken oder Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Es ist klar, dass ein dichteres Ladenetzwerk den Verkauf von Elektrofahrzeugen ankurbeln würde.

Der aktuelle Gebraucht-EV-Markt und die Infrastruktur sind somit geeignet, die Nachfrage in Deutschland zu stimulieren. Dies gilt momentan noch nur für eine kleine Kundengruppe, aber mit den längeren Reichweiten neuerer Elektrofahrzeuge und den beschriebenen Optionen für ein dichteres Ladenetzwerk würde die Attraktivität eines Elektrofahrzeugs drastisch gesteigert werden.

Written by: Max Robert Müller

Manager Future Car Values Germany

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